In der Geflügelhaltung stehen Tiergerechtheit und -gesundheit, Nachhaltigkeit, Lebensmittelsicherheit und -qualität verstärkt im Fokus. Die Hochschule Osnabrück forscht, welchen Beitrag digitale Technologien dazu leisten können.
Früher fußten Managemententscheidungen im Geflügelbestand fast ausschließlich auf direkten Beobachtungen, Interpretationen und Erfahrungen des Tierhalters. Heutige Strukturen und Bestandsgrößen sowie die gestiegenen Anforderungen an eine nachweislich tier- und umweltgerechte Haltung erfordern Technik zur Unterstützung des Tierhalters.
Automatisches Bestandsmanagement
Ein Ziel hierbei muss die kontinuierliche und automatische Überwachung sowie Dokumentation von Produktionsparametern sein, um den Tierhalter beim Management des Bestandes zu unterstützen. Die laufende Überwachung der Produktionsparameter ermöglicht es ihm, bei Abweichungen schnell zu reagieren. Der Erfolg seiner dann ergriffenen Maßnahmen lässt sich so zügig überprüfen, was unter anderem auch die Tiergesundheit fördert. Neben der Nutzung bewährter Sensortechnik wird dabei zunehmend auf automatisierte und digitalgestützte audiovisuelle Systeme zurückgegriffen.
Ein Blick auf aktuelle öffentliche Ausschreibungen sowie laufende Forschungsprojekte an den Hochschulen zeigt die zentrale Rolle und Bedeutung von Digitalisierung und Innovation in der Nutztierhaltung bzw. entlang der Wertschöpfungsketten tierischer Erzeugnisse. Auch der Studienschwerpunkt „Angewandte Geflügelwissenschaften“ der Hochschule Osnabrück beteiligt sich aktuell an mehreren Vorhaben und Projekten, die sich mit der Digitalisierung in der Geflügelhaltung beschäftigen. Nachfolgend sind einige davon beschrieben.
Gemeinsam mit 35 Praxispartnern und sieben weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen bringt die Hochschule Osnabrück die Digitalisierung in der Landwirtschaft im Rahmen des fünfjährigen Vorhabens „Zukunftslabor Landwirtschaft“ (ZLA) voran. Die wissenschaftlich-technische Arbeit des ZLA erfolgt in enger Kooperation und Abstimmung mit dem „Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen“ (ZDIN). Begleitet wird sie durch Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Schulung, Lehre und Beratung für Wirtschaft, Verbände, Medien, Politik und Öffentlichkeit.
Zentrale Fragestellung des ZLA ist zum einen, wie die für eine Digitalisierung benötige „geschützte Transparenz“ (heißt: Daten und Datenbanken sind nur klar definierten Nutzergruppen zugänglich) praktisch umgesetzt werden kann. Zum anderen soll die Frage beantwortet werden, welche ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft einhergehen (sogenannte Nachhaltigkeitseffekte). Über das ZLA sollen zentrale Forschungspartner zur Digitalisierung in Niedersachsen gebündelt werden. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „5G-Agrar“.
Im zwei Jahre laufenden Projekt „5G – Nachhaltige Agrarwirtschaft“ sind 15 Partner daran beteiligt, die digitale Vernetzung und das Datenmanagement unter Nutzung des 5G-Kommunikationsstandards innerhalb der Wertschöpfungsketten Schwein und Masthuhn zu erproben. Zu den Partnern zählen neben wissenschaftlichen Einrichtungen Praxisbetriebe und Wirtschaftspartner.
Auffälligkeiten früh erkennen
Der Schwerpunkt Geflügel der Hochschule Osnabrück ist in die Identifizierung notwendiger Daten sowie deren Verknüpfung und Interpretation im Sinne der Früherkennung von Auffälligkeiten im Bestand eingebunden. Dies bildet die Grundlage für nachfolgende Handlungsanweisungen der verschiedenen Akteure in der Wertschöpfungskette.
Im Projekt werden neue Verfahren und Sensorsysteme zur automatisierten Erfassung von beispielsweise Tierverhalten eingesetzt. Zusätzlich werden zum Abgleich Daten im Bestand und vom Tier erhoben und fließen in die Prüfung von Plausibilität und Bewertung der Datenqualität sensorgestützter Systeme ein. Der Austausch bzw. die Vernetzung von Daten verschiedener Beteiligter der Wertschöpfungskette setzt einen geschützten, aber auch transparenten Datenfluss voraus. Für die zukünftige Datenverknüpfung sind auch rechtliche Fragen zu klären, was ebenfalls im Rahmen des Projekts erfolgt.
Kameras und Mikrofone zur Einzeltierkontrolle
„AniWeb“ steht für „Automatisiertes Erfassungssystem zur Bewertung des Tierwohls auf dem landwirtschaftlichen Betrieb am Beispiel von Masthühnern“. Ziel ist die Entwicklung eines automatisierten Systems zur Bewertung und Beurteilung des Tierwohls in Geflügelbeständen. Eine Einzeltierkontrolle ist für Geflügelhalter heute während der täglichen Tierkontrolle nur erschwert möglich. Zur Unterstützung dieser Tierkontrolle und zur Früherkennung von Veränderungen im Tierbestand wird ein digitales Herdenmanagement-Tool entwickelt. Es wird auf Grundlage von Kamera- und Mikrofontechnik agieren, wobei routinemäßig und sensorgestützt erhobene Daten (Stallklima, Futter- und Wasseraufwand) mit einfließen.
Im Projekt wird ein Kamerasystem entwickelt, das Tiere erkennen und verfolgen kann. In Kombination mit vielen erhobenen biologischen Daten von Einzeltieren und der Gesamtherde kann der Technik mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) so Wissen und Erfahrung angeeignet werden. Bestimmte definierte Merkmale und Muster sollen in kontinuierlicher Verbesserung erkannt und herausgefiltert werden. Das Projekt läuft in Kooperation mit den Unternehmen MonitorFish und Agrarcontex sowie dem Institut Querfeld Group.
Dem Faktor Licht wird im Zusammenhang mit dem Auftreten von Verhaltensstörungen wie Beschädigungs- bzw. Federpicken und Kannibalismus eine besondere Rolle zugesprochen. In früheren Projekten der Hochschule Osnabrück wurden bereits Grundlagen zur tiergerechten Beleuchtungstechnik geschaffen. So gibt es heute erste Beleuchtungssysteme, die den Ansprüchen der Tiere hinsichtlich eines natürlichen Spektrums gerechter werden.
Tiergerechte Anpassung der Beleuchtung
„Intelligentes Lichtsystem“ will die Hochschule Osnabrück in Kooperation mit Cosmonio Imaging ein tiergerechtes Beleuchtungssystem mit einer kamerabasierten KI verknüpfen. Hierbei werden Grundbausteine für ein autonomes, selbstlernendes Regelsystem entwickelt. Mithilfe von infrarotfähigen Kameras wird das Verhalten der Tiere erfasst. Im Zusammenspiel mit manuell erhobenen Daten und Indikatoren werden diese Bilder interpretiert und beurteilt, um so eine Software anzulernen.
Zusammen mit dem multispektralen Beleuchtungssystem soll diese Technik zukünftig zur Früherkennung von Verhaltensweisen (Federpicken, Kannibalismus, Panik, Nutzung von Funktionsbereichen etc.) beitragen. Das Licht soll dann in einzelnen Stallbereichen je nach Tierverhalten automatisch angepasst werden können. Dabei wird nicht nur „Alarm“ an den Tierhalter gemeldet. Bereits im frühen Stadium einer negativen Entwicklung im Bestand soll auch der Status diverser Risikofaktoren abgeprüft und dargestellt werden – etwa der Futter- und Wasserverbrauch sowie Stallklimadaten.
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