Vier Millionen tote Hühner - die traurige Geschichte einer ukrainischen Farm

13 April 2022
Politik
Braune Hühnereier

Der Krieg hat die Landwirtschaft in der Ukraine hart getroffen und auch Europas größte Geflügelfarm nicht verschont. Das Wall Street Journal veröffentliche vor kurzem die Geschichte von Andriy Chirkov, des Managers dieser Geflügelfarm, der mit einer gefährlichen Aufgabe zurückgelassen wurde: Er musste fast vier Millionen Hühner entsorgen, die durch Durst und Hunger gestorben waren. 

Nicht nur die Exporte von Weizen, Sonnenblumenöl und anderen Produkten sind durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine unterbrochen worden, auch die Geflügelproduktion des Landes hat es hart getroffen. So musste die Hühnerfarm Chornobaivske, im südlichen Teil der Ukraine in der Nähe der Stadt Cherson gelegen, ihre Produktion einstellen. Die Schwierigkeiten der Farm stehen sinnbildlich für die weitreichenden Auswirkungen der russischen Invasion auf den Agrarsektor der Ukraine. 

Vor dem Krieg exportierte der Betrieb in Chornobaivske etwa eine Milliarde Eier pro Jahr. Nun ist der Manager der Geflügelfarm Andriy Chirkov damit beschäftigt, Gruben auszuheben und die toten Tiere so zu vergraben, dass die örtliche Wasserversorgung möglichst nicht mit den giftigen Stoffen der Tierkadaver kontaminiert wird. „Das ist kein schönes Bild“, sagt Chirkov.  „Wir nehmen die Vögel, transportieren sie und begraben sie.“ Dabei riskiert Chirkov ständig seine Gesundheit, denn er agiert inmitten der russischen Soldaten, von denen er sagt, dass sie bereits auf ihn geschossen haben. 

Kein Futter mehr

Die russischen Streitkräfte seien am 26. Februar 2022, dem dritten Tag der Invasion, auf der Farm in Chornobaivske angekommen, berichtet Chirkov dem Reporter des Wall Street Journals. Die russischen Soldaten hätten fast alle Fahrzeuge gestohlen und persönliches Eigentum aus den Büros geplündert. „Sie kamen einfach, hielten den Lauf des Maschinengewehrs vor und nahmen sich die Schlüssel“, berichtet er. Am nächsten Tag stoppten die Soldaten die mit Hühnerfutter beladenen Lastwagen und ließen Andriy Chirkov mit Vorräten für nur zwei Tage zurück. 

Gemeinsam mit einem Kollegen habe er versucht, frische Futtervorräte aus dem nächstgelegenen Mischfutterwerk zu organisieren, sagt Chirkov. Doch auf dem Rückweg seien sie in den Beschuss der russischen Soldaten geraten und hätten künftig Fahrten ins Mischfutterwerk vermieden. Stattdessen sei man dazu übergegangen, Hühner und Eier an andere Bauern der Region sowie an Selbstabholer zu verschenken. Die Zahl belief sich schnell auf 1,45 Millionen Eier und 90.000 Hühner. 

Stromversorgung gekappt – keine Futterversorgung mehr möglich

Am 1. März hätten dann russische Geschütze das örtliche Kraftwerk zerstört und damit die gesamte Stromversorgung unterbrochen. Damit habe dann das automatische Fütterungs- und Tränkesystem der Ställe nicht mehr funktioniert. Und auch die elf Generatoren, die im Ernstfall zugeschaltet würden, konnten nicht in Betrieb genommen werden, da kein Kraftstoff mehr an die Farm geliefert würde. So seien die Hühner nach und nach verdurstet und verhungert. Zurückgeblieben seien riesige Haufen von Hühnerkadavern, die sich über die ganze Farm verteilen. 

Wenn Andriy Chirkov in die Ställe geht, um die toten Vögel zu bergen schaltet er eine industrielle Klimaanlage ein, um sich vor dem, was er als „gefährlichen Luft“ bezeichnet, zu schützen. Mit Traktor und Anhänger fährt seine gefährliche Fracht auf ein Feld in der Nähe der Anlage und vergräbt sie in tiefe Gruben, damit der Boden das Methan, das von den verwesenden Vögeln freigesetzt wird, filtern kann. 

Vor dem Krieg arbeiteten in Chornobaivske 398 Menschen. Jetzt sind es 20 Leute, die Chirkov bei seiner gefährlichen Aufgabe unterstützen. Die Mitarbeiter kommen zu Fuß aus den umliegenden Dörfern. Viele der ehemaligen Mitarbeiter seien geflohen oder sie hätten sich dem Kampf angeschlossen, so Chirkov. Er selbst versuche, den in der Nähe stationierten russischen Soldaten zu erklären, „dass wir normale Menschen sind, die arbeiten.“  Aber das interessier sie nicht.

 

Geflügelnews mit Material des Wall Street Journals
Bild: Geflügelnews

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