Die Branche ist in großer Sorge, dass es statt eines Umbaus der Tierhaltung zu einem politisch lancierten Strukturbruch in der deutschen Veredlungswirtschaft kommt. Das formulieren der Deutsche Raiffeisenverband, der Deutsche Bauernverband, der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, der Bundesverband Rind und Schwein und die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands in einem gemeinsamen Positionspapier. Die Verbände befürchten, dass es in Deutschland statt mehr Tierwohl bald vermehrte Fleischimport zu niedrigeren Standards geben wird.
Tierhaltungsstandort Deutschland umbauen statt abbauen!
Es sei aber der Grundkonsens der Borchert-Kommission gewesen, vermehrte Fleischimporte zu niedrigeren Standards aus Drittländern zu vermeiden, ist in dem Positionspapier zu lesen, das die fünf Verbände zur Eröffnung der Internationalen Grünen Woche in Berlin veröffentlichten. Anstatt dieses allgemein anerkannte Konzept umzusetzen, werde es zerstückelt und verfälscht. So werde den Tierhaltern jegliche Perspektive für die Zukunft genommen. Die Verbände kritisieren, dass die Marktmechanismen und die Wettbewerbssituation im Europäischen Binnenmarkt von der Bundesregierung bei ihren Gesetzesvorhaben nicht hinreichend beachtet werden. „Damit kann kein Planungshorizont für die notwendigen Investitionen in den Umbau der Tierhaltung geschaffen werden“, heißt es im Papier.
In Bezug auf den Entwurf des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes kritisieren die Verbände vor allem die fehlende Einbindung wesentlicher Bereiche auf allen Stufen der Wertschöpfungskette. So gebe es keinen Zeitplan zum weiteren Aufbau der Kennzeichnung über Schweine-Frischfleisch hinaus. Besonders schwerwiegend sei das Fehlen eines belastbaren Kontrollkonzeptes für ausländische Teilnehmer und die mangelnde Kompatibilität mit etablierten Systemen der Wirtschaft. Das löse zusätzliche Bürokratie aus.
Tierwohl und Immissionsschutz gemeinsam lösen
Auch den Referentenentwurf zur Änderung des Baugesetzbuches bewerten die fünf Berufsverbände als unzulänglich. Es seien vereinfachte Änderungsgenehmigungen gefragt, da weitreichende Veränderungen der Ställe im Hinblick auf Außenklima und Auslauf anstünden. Dazu gehörten neben Anpassungen im Baurecht auch Erleichterungen im Immissionsschutzrecht. Entsprechende Vorschläge der Wirtschaft lägen vor und müssten jetzt aufgegriffen werden. Der Gesetzgeber müsse eine „Tierwohlverbesserungsgenehmigung“ beschließen, bei der die Ziele Tierwohl und Immissionsschutz gemeinsam gelöst würden.
4 Milliarden pro Jahr
Als unumgänglich sehen die Verbände eine gesicherte und deutlich höhere Finanzierung der Tierwohlinvestitionen an. Der Betrag von 1 Milliarde Euro für 4 Jahre statt der von der Borchert-Kommission für notwendig erachteten 4 Milliarden Euro pro Jahr sei deutlich zu gering.
EU weit müssen gleiche Standards gelten
Die Verbände fordern Bundesminister Özdemir und die Regierungskoalition nachdrücklich dazu auf, Regelungen und Förderungen so zu gestalten, dass sie tatsächlich einen Umbau der Tierhaltung in Richtung mehr Tierwohl in Gang setzen und nicht einen kalten Abbau. Dazu gehöre auch die europäische Perspektive: Die Bundesregierung müsse bei der EU die Initiative für eine binnenmarktkonforme Haltungs- und Herkunftskennzeichnung ergreifen. Auch bei höheren Tierhaltungsstandards seien europäische Initiativen statt nationaler Alleingänge angezeigt. So sei zum Beispiel die deutsche Geflügelhaltung im EU-Binnenmarkt nur dann wettbewerbsfähig, wenn EU-weit gleiche Standards gelten. So katapultierten die vorgelegten Eckpunktepapiere zu Mindestanforderungen in der Geflügelhaltung vor allem die deutschen Putenhalter allein durch die weit über EU-Durchschnitt geforderten Platzvorgaben aus dem Wettbewerb im EU-Binnenmarkt. Damit werde ein Grundkonsens der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft verlassen, nämlich eine Verdrängung der heimischen Tierhaltung durch Importdruck zu vermeiden.
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