Proteine für Geflügel aus Grünland-Schnitt: Erste Fütterungsversuche verlaufen erfolgreich

30 November 2022
Nährstoffe
Küken beim Fressen

In einer On-Farm-Bioraffinerie der Universität Hohenheim entsteht derzeit ein Proteinfutter für Geflügel und Schweine, das aus Grünland-Schnitt gewonnen wird. Die ersten 50 Kilogramm Proteinextrakt wurden jetzt erfolgreich an Mastküken verfüttert. Denen schmeckt’s. Doch im Grünland-Schnitt steckt noch mehr: Er könnte auch in der menschlichen Ernährung eine Alternative zu Soja darstellen und als Ausgangsmaterial für biobasierte Kunststoffe und Papier, Energie und Dünger dienen. 

Um dieses enorme Potenzial nutzbar zu machen, erforschen drei Hohenheimer Arbeitsgruppen im Projekt „Proteine aus der Grünlandnutzung – ProGrün“ die Möglichkeiten der Nutzung von Grünlandschnitt im Sinne einer Kreislaufwirtschaft. Es wird vom baden-württembergischen Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz mit rund 1 Million Euro gefördert.

Eiweiß aus der pflanzlichen Struktur herauslösen

Gras und andere Grünlandpflanzen enthalten viel Eiweiß. Doch nur Wiederkäuer wie Rinder und Schafe können die enthaltenen Proteine verwerten – so dachte man lange Zeit. Doch wenn das in den Grünlandpflanzen enthaltene Eiweiß zuvor aus seiner pflanzlichen Struktur herausgelöst wird, ist es grundsätzlich auch als Tierfutter für Nicht-Wiederkäuer geeignet, zeigen die Forscher der Universität Hohenheim im Projekt ProGrün.

Alternative zu Soja

Der Bedarf an Protein in der Ernährung von Mensch und Tier wird derzeit zu einem großen Teil durch Soja gedeckt. Daraus ergeben sich gleich mehrere Probleme: Zum einen erfolgt der Anbau von Soja überwiegend außerhalb von Europa und ist in vielen Fällen nicht nachhaltig und umweltfreundlich. Gleichzeitig gelangen mit dem Import vermehrt Stickstoffverbindungen nach Europa, die über die Gülle auf den Feldern landen – mit negativen Folgen für die Umwelt. Zum anderen fehlen diese Stickstoffverbindungen im Anbauland. 

Allerdings sind die Möglichkeiten begrenzt, Sojaprotein durch andere Proteine zu ersetzen, die regional oder in Europa erzeugt werden. Insofern stellt Grünland eine bislang unterschätzte Proteinressource dar. Mit 4,7 Millionen Hektar macht das Dauergrünland in Deutschland mehr als ein Viertel der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus, die zudem nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. Aktuell wird nur ein Teil direkt als Futter genutzt: Grünlandschnitt, der im Rahmen der Landschaftspflege anfällt, wird ebenso wie Material aus Obstplantagen, Streuobstwiesen, landwirtschaftlichen Nebenflächen etc. oft nicht verfüttert.

Eiweiß-Zusammensetzung mit Soja vergleichbar

Damit auch Nicht-Wiederkäuer das Grünfutter verstoffwechseln können, ist ein Zwischenschritt zur Extraktion und zum Aufschluss der verdaulichen Proteine notwendig. Dazu wird das in den meisten Fällen verwendete Gras zunächst zerkleinert und gepresst. Heraus kommt der Presssaft mit einem hohen Anteil an löslichen Proteinen, einer Restmenge an Kohlenhydraten sowie weiteren chemischen Verbindungen. Die festen Bestandteile und rund zwei Drittel des Proteins bleiben im sogenannten Presskuchen zurück.

„Zucker, Säuren und andere Substanzen im Presssaft können die Verdaulichkeit der Proteine beeinträchtigen“, erklärt Prof. Dr. Rodehutscord vom Fachgebiet Tierernährung. Deshalb werden diese weitgehend abgetrennt. Anschließend werden die Proteine schonend getrocknet, mit weiteren Tierfutterbestandteilen gemischt und pelletiert. „Aus rund 45 Tonnen frisch geschnittenen Grases kann so proteinreiches Futter mit 1.000 Kilogramm Proteinanteil hergestellt werden“, ergänzt Prof. Reinhard Kohlus vom Fachgebiet für Lebensmittelverfahrenstechnik und Pulvertechnologie.

„Die Zusammensetzung der Aminosäuren in dem Proteinextrakt entspricht in etwa der von Soja“, erläutert Prof. Dr. Rodehutscord, „und ist damit hervorragend für die Ernährung von Hühnern und Schweinen geeignet.“ Auf eine Schwierigkeit, die die Forschenden erst überwinden mussten, weist sein Mitarbeiter Dr. Wolfgang Siegert hin: „Das Futter muss den Tieren auch schmecken, sonst fressen sie es nicht. Hierfür waren ein paar Vorversuche notwendig. Aber jetzt konnten wir die ersten 50 Kilogramm an Küken verfüttern.“ Langfristig soll es auch möglich sein, den gewonnenen Proteinextrakt für die menschliche Ernährung einzusetzen.

Kreislaufwirtschaft: Verwertung der restlichen Biomasse

Ganz im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft soll auch die restliche Biomasse verwertet werden. für die Herstellung von hochwertigen Materialien, aber auch zur Wärme- und Energieerzeugung. 

Dafür entstand auf der Versuchsstation Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim am Standort „Unterer Lindenhof“ eine Bioraffinerie-Demonstrationsanlage, die es erlaubt, den gesamten Prozess im Technikumsmaßstab zu testen. „Damit haben wir dort alles, also Gras, Bioraffinerie sowie Hühner und Schweine, um eine Bioökonomie im Kleinen aufzubauen“, sagt Projektkoordinatorin Prof. Dr. Andrea Kruse vom Fachgebiet Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe. „So kann der anfallende Presskuchen zur Herstellung von Graspapier oder von Fasermatten zur Isolierung dienen“, erläutert Prof. Dr. Kruse. „Da er zudem noch genügend Protein enthält, ist der Presskuchen auch für die Fütterung von Rindern geeignet. Und zu guter Letzt kann er auch in einer Biogas-Anlage verwertet werden. Deren Gärrest wird als Dünger auf die Felder ausgebracht und schließt so den Nährstoffkreislauf.

Hohenheimer Ansatz: Modulare, dezentrale On-Farm-Bioraffinerie

„Letztlich ist dieser Hohenheimer Ansatz eine Weiterentwicklung bestehender Konzepte, bei denen die Wertschöpfung aus Presssaft und Presskuchen maximiert werden soll“, erklärt Prof. Dr. Kruse weiter. Kleine On-Farm-Bioraffinerien, direkt am Bauernhof angesiedelt, sind für sie der Schlüssel, um Kreisläufe zu schließen und so Natur, Umwelt und Klima zu schützen. Der Clou dabei: Die Anlagen bestehen aus einzelnen Modulen, die je nach Anforderungen miteinander gekoppelt werden können. „Wenn man verschiedene Prozesse effizient hintereinanderschaltet, wird Biomasse entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu Lebensmitteln, Futtermitteln, Werkstoffen, Materialien, Chemikalien und Energie veredelt“, ist Prof. Dr. Kruse überzeugt.

Geflügelnews, Universität Hohenheim
Bild: Universität Hohenheim Angelika Emmerling

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Altfeld Paul - vor 1 Jahr
Hervorragend,wir haben viel Grünland und Kleegrasgemenge sowie Mutterkühe und Legehennenhaltung Es wäre für uns der Schlüssel zur autarken Wirtschaftsweise. Halten Sie uns auf dem laufenden. Eine Module und fahrbare Anlage wäre die Zukunft