Özdemirs staatliches Tierhaltungs-Label: Die Knackpunkte für Bauern

03 August 2022
Masthuhn
Staatliches Tierhaltungs Label

Aus dem Ressort von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist ein Gesetzesentwurf für ein staatliches Tierhaltungs-Label durchgesickert. Bei Durchsicht der Vorschläge entpuppt sich der Plan als äußerst kompliziert. Simon Michel-Berger von agrarheute erklärt, wo die Knackpunkte aus Sicht der Landwirtschaft liegen.

Seit einiger Zeit kursiert ein Gesetzesentwurf für ein staatliches Tierhaltungs-Label aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Das Haus von Minister Cem Özdemir ist unter Zugzwang, weil der Koalitionsvertrag der Ampel die Einführung einer verbindlichen staatlichen Haltungskennzeichnung noch im Jahr 2022 vorsieht. Diese soll nun durch das sogenannte „Tierhaltungskennzeichnungsgesetz“ kommen. Ein „Tierwohl-Label“ ist die Haltungskennzeichnung aber nicht.

Für welches Fleisch gilt das staatliche Tierhaltungs-Label?

Das staatliche Tierwohl-Label soll zunächst nur für die Schweinemast und auch hier nur für Frischfleisch gelten: Hier kann man noch am leichtesten nachvollziehen, aus welcher Haltungsform das Fleisch stammt. Doch im Gesetzesentwurf stehen auch schon die Regeln, die für verarbeitete und für solche Lebensmittel gelten sollen, die von mehreren Tierarten gewonnen werden.

Welche Stufen gibt es beim staatlichen Tierhaltungs-Label?

Grundsätzlich gilt beim staatlichen Tierwohl-Label, dass Tierhaltung nach fünf Stufen gekennzeichnet werden muss: 

  • Bio
  • Auslauf/Freiland
  • Frischluftstall
  • Stall + Platz
  • Stall

Wann gilt welche Stufe beim Label?

Bei verschiedenen Haltungsformen, etwa in Ferkelerzeugung und Schweinemast, muss immer die „maßgebliche Haltungsform“ ausgezeichnet werden. Diese entspricht laut Gesetzesentwurf dem „zeitlichen Schwerpunkt“ der Haltung.

Wann gilt die Haltungsform Stall?

Die Haltungsform Stall beim staatlichen Tierhaltungs-Label entspricht den Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Sollten die Anforderungen in dieser Verordnung geändert werden, würden automatisch auch die Anforderungen an die unterste Haltungsform steigen.

Wann gilt die Haltungsform Stall + Platz?

Bei der Haltungsform Stall + Platz im staatlichen Tierhaltungs-Label müssen zunächst die Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erfüllt werden. Darüber hinaus brauchen Tiere (Schweine) mit einem Durchschnittsgewicht von 30-50, 50-110 und über 110 kg Durchschnittsgewicht pro Tier eine uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche von 0,6 bzw. 0,9 bzw. 1,2 Quadratmetern. In jeder Bucht müssen laut Gesetzesentwurf außerdem mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sein:

  • Kontaktgitter zwischen den Buchten, die mindestens drei Schweinen gleichzeitig den Kontakt zu Schweinen einer anderen Gruppe ermöglichen,
  • Trennwände innerhalb der Buchten, die verschiedene Funktionsbereiche voneinander abgrenzen,
  • eine für die Schweine sicher zu nutzende erhöhte Ebene über der Bodenfläche, die über eine Rampe leicht zu erreichen ist,
  • Mikroklimabereiche, durch die verschiedene Temperaturbereiche innerhalb der Buchten angeboten werden,
  • unterschiedlichen Lichtverhältnissen in den Buchten,
  • eine geeignete Scheuervorrichtung,
  • eine geeignete Abkühlvorrichtung,
  • einen Liegebereich, der höchstens einen Perforationsgrad von 5 % aufweist und weich oder eingestreut sein muss und der entsprechend dem Durchschnittsgewicht der Tiere für jedes Tier mindestens folgende Fläche aufweist: 0,3 Quadratmeter Liegefläche bei 30-50 kg Durchschnittsgewicht, 0,6 Quadratmeter Liegefläche bei 50-110 kg Durchschnittsgewicht und 0,8 Quadratmeter Liegefläche ab 110 kg Durchschnittsgewicht,
  • sonstige Maßnahmen, die eine zusätzliche Strukturierung der Bucht ermöglichen.

Wann gilt die Haltungsform Frischluftstall?

Als Frischluftstall soll laut der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung gelten, wenn die Vorgaben der Tierschutznutztierhaltung erfüllt werden, das Außenklima wesentlichen Einfluss auf das Stallklima hat und jede Bucht mindestens auf einer Seite in ihrer ganzen Länge so geöffnet ist, „dass jedes Tier dauerhaft äußere Witterungseinflüsse und Umwelteindrücke wahrnehmen“ kann. Zusätzlichen Platz brauchen die Tiere hier nicht. Alternativ gilt auch als Frischluftstall, wo die Tiere mindestens acht Stunden am Tag Auslauf haben, sofern die Haltungs- und Platzvorgaben der Tierschutznutztierhaltung erfüllt werden.

Wann gilt die Haltungsform Auslauf/Freiland?

Laut dem Gesetzentwurf der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung handelt es sich um einen Stall mit Auslauf/Freiland, wenn die Tiere das erhöhte Platzangebot der Haltungsform Stall + Platz sowie mindestens 8 Stunden Auslauf am Tag haben. Alternativ können die Tiere auch mindestens acht Stunden am Tag ohne Stall im Freiland gehalten werden, wenn die Haltung auch hier die Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltung erfüllt. Tierhaltung gilt auch dann als Auslauf/Freiland, wenn die Tiere in einem Stallgebäude weniger Platz haben, als die Haltungsform Stall + Platz vorsieht. Dann muss der Auslauf aber um die im Gebäudeinneren reduziere Fläche vergrößert sein.

Wann gilt die Haltungsform Bio?

Als Bio gilt die Tierhaltung beim staatlichen Tierhaltungs-Label, wenn die Vorgaben der EU-Bio-Verordnung erfüllt werden. Verzichtet ein Lebensmittelhersteller auf die Kennzeichnung als Bio, so gilt automatisch die Haltungsstufe Auslauf/Freiland.

Wie sieht das staatliche Tierhaltungs-Label aus?

Beim staatlichen Tierwohl-Label sollen fünf weiße Rechtecke auf eine Verpackung gedruckt werden, die mit den fünf Haltungsformen korrespondieren. Das Rechteck, das zur jeweiligen Haltung gehört, soll schwarz ausgefüllt werden. Falls es sich um gemischtes Fleisch handelt, das aus unterschiedlichen Haltungsformen stammt, soll die jeweilige Haltungsform anteilig mit den zugehörigen Prozentsätzen angegeben werden. Kompliziert wird das spätestens dann, wenn das Tierwohl-Label auch für verarbeitete Lebensmittel gilt, die aus mehreren Tierarten gewonnen werden. Hier muss für jede Tierart dann der Anteil der Haltungsstufe separat angegeben werden.

Wie groß muss das Tierhaltungs-Label aufgedruckt werden?

Die Schrifthöhe des staatlichen Tierwohl-Labels auf vorverpackten Lebensmitteln muss mindestens 1,2 mm betragen. Falls die Packung auf ihrer größten Oberfläche weniger als 80 Quadratzentimeter Fläche hat, reicht auch eine Schrifthöhe von 0,8 mm. Bei nicht vorverpackten Lebensmitteln, etwa in einer Metzgerei, muss das Tierhaltungs-Label „gut lesbar“ auf einem Schild oder mit einer Schrifthöhe von mindestens 5 mm auf einem Aushang stehen. die Kennzeichnungspflicht gilt auch bei Verkäufen per Fernabsatz, also etwa für Bestellungen im Internet.

Meldung durch neues Register

Für die Registrierung von Betrieben für die staatliche Haltungskennzeichnung wird ein eigenes Register geschaffen. Die Betriebe müssen den zuständigen Behörden zahlreiche Daten melden, die von der Anschrift über die Registernummer laut Viehverkehrsverordnung bis hin zur Haltungsform reichen. Außerdem müssen Informationen zu Aufstallung und Verbleib der Tiere angegeben werden. Von der zuständigen Behörde erhalten die Betriebe dann eine Kennnummer. Die Kennnummer gilt nur für die jeweilige Haltungsform und muss bei einer Änderung dieser gelöscht werden.

Was gilt beim Tierhaltungs-Label für ausländische Betriebe?

Für Betriebe außerhalb Deutschlands ist das Tierhaltungs-Label freiwillig. Anträge können bei den zuständigen Behörden im Land des Betriebes gestellt werden. Genehmigungen gelten für zwei Jahre. Das EU-Bio-Logo gilt als Bescheinigung für die höchste Stufe in der deutschen Tierhaltungs-Kennzeichnung. Fleisch aus dem Ausland, das nicht unter die Tierhaltungskennzeichnung fällt, muss auf dem Label als „nichtkennzeichnungspflichtig“ bzw. „nichtkennzeichnungspflichtiger Anteil“ ausgewiesen werden.

Wer ist für die Rückverfolgbarkeit beim Tierhaltungs-Label zuständig?

Die Sicherung der Rückverfolgbarkeit über alle Produktionsstufen hinweg ist Aufgabe der Lebensmittelhersteller.

Was gilt für Transport und Schlachtung?

Laut Koalitionsvertrag muss das Tierhaltungs-Label ab 2022 auch „Transport und Schlachtung“ umfassen. Beide Punkte sind im Gesetzentwurf allerdings nicht explizit enthalten.

Wer kontrolliert die Einhaltung der Tierhaltungs-Kennzeichnung?

Laut Gesetzesentwurf müssen die „zuständigen Behörden“ die Einhaltung der Vorgaben des Tierhaltungs-Labels kontrollieren. Gemeint sind also die Bundesländer bzw. ausländische Behörden im Falle von Antragsstellern außerhalb Deutschlands. Sie dürfen wiederum Personen mit dieser Aufgabe betrauen.

Was kostet das staatliche Tierhaltungs-Label die Wirtschaft?

Zum Erfüllungsaufwand, also den Kosten für die Wirtschaft, die Regeln des staatlichen Tierhaltungs-Labels zu erfüllen, sagt der Gesetzesentwurf noch nichts. Hier wird das Bundeslandwirtschaftsministerium später nachbessern. Klar sind jedoch schon die Strafen, die bei Nichtbeachtung der Regeln drohen: Für Ordnungswidrigkeiten können bis zu 30.000 € Bußgeld verhängt werden.

agrarheute / Simon Michel-Berger
Bild: BMEL

Reagieren

Geflügelnews lädt Sie ein, auf Artikel zu reagieren und schätzt Reaktionen mit Inhalt. Die Redaktion behält sich das Recht vor, beleidigende oder kommerziell motivierte Reaktionen ohne Angabe von Gründen zu entfernen.