Futterprotein aus Maden selbst erzeugen

23 August 2022
Futter
Mitglieder des Startup-Unternehmens Farminsect

Das Startup-Unternehmen Farminsect hat ein Modell entwickelt, dass es Landwirten ermöglicht, Futterprotein für Geflügel, Schweine oder Fische über eine regionale Kreislaufwirtschaft komplett oder zumindest teilweise selbst zu erzeugen. Im oberbayerischen Oberbergkirchen eröffnete Farminsect vor kurzem seine Zentrale für Insektenzucht und Larvenproduktion.

Die neuen Bewohner der ehemaligen Schweinestallungen im oberbayerischen Oberbergkirchen sind klein, schwarz und schweigsam. Es handelt sich um Schwarze Soldatenfliegen. Das Startup-Unternehmen Farminsect pachtete die Stallungen eines ortsansässigen Landwirts und entwickelte daraus Deutschlands derzeit modernste Zucht- und Produktionsanlage für die Schwarze Soldatenfliege, die mit über 1000 Quadratmetern gleichzeitig auch eine der größten ist.

Insektenprotein statt Eiweiß aus Soja oder Fischmehl

Hinter Farminsect stehen die Gründer Thomas Kühn und Wolfgang Westermeier. Sie entwickelten ein Modell, das es Landwirten ermöglicht, Futterprotein für Geflügel, Schweine oder Fische über eine regionale Kreislaufwirtschaft komplett oder zumindest teilweise selbst zu erzeugen. Insektenprotein statt Eiweiß aus Soja oder Fischmehl, so lautet die Idee, zumal Insekten und Insektenlarven zu den natürlichen Nahrungsquellen von Nutztierarten wie Geflügel etc. gehören.

Die Landwirte nutzen zur Erzeugung des Futterproteins nicht die Fliegen, sondern mästen die Junglarven über sieben Tage zu einem Endprodukt, das dann lebend oder in anderer Form verfüttert werden kann. Als Futtergrundlage der Larven dienen diverse Reststoffe aus Nahrungsmittelmittelerzeugung, die aber als Futtermittel zugelassen sein müssen. Das können Reststoffe aus der Mehlerzeugung, Treber, Obst- und Gemüsereste oder auch Grasschnitt sein. 

„Made“ in Mühldorf

Landwirte, die Junglarven mästen wollen, bekommen ihre „Nutztiere“ einmal wöchentlich von Farminsect geliefert, und zwar im Alter von etwa fünf Tagen. Die Larven stammen aus der neuen Zucht- und Produktionsanlage in Oberbergkirchen im Landkreis Mühldorf, die erst kürzlich eingeweiht wurde. Hier werden die adulten Soldatenfliegen in Volieren gehalten, wo sie sich verpaaren und in speziellen Rahmen ihre Eier ablegen. Aus diesen Rahmen können die Eier abgeerntet werden, nach zwei bis drei Tagen schlüpfen die Junglarven. Insgesamt 5 Kilogramm Insekteneier können so pro Woche erzeugt werden. Aus einem Gramm Eier schlüpfen etwa 25 000 Junglarven. Ein Landwirt mit einer Standard-Mastanlage bekommt pro Woche etwa 3 bis 4 Kilogramm Junglarven zur Mast. Die Larven nehmen dann beim Landwirt um den Faktor 250 in sieben Tagen zu.

Mit ihrer aktuellen Kapazität kann die Anlage in Oberbergkirchen etwa 25 landwirtschaftliche Mastanlagen versorgen. Im Moment gibt es fünf Mastanlagen in Deutschland, inklusive der Forschungsanlagen von Farminsect. Noch in diesem Jahr soll in Oberbayern eine weitere Anlage hinzukommen.

Vom Insekt zur Larve: Die adulten Tiere der Schwarzen Soldatenfliege legen ihre Eier in Legerahmen
Aus den Eiern entwickeln sich bei Farminsect die Junglarven.
Nach 7 Tagen haben die Larven das 250-fache an Gewicht zugelegt und sind im optimalen Stadium zum Verfüttern.
Nach weiteren 14 Tagen verpuppen sich die Larven und eine neue Generation Soldatenfliegen schlüpft.

Für jeden Betrieb die idealen Larven züchten

„Der Schwerpunkt in Oberbergkirchen liegt auf der Zucht- und Reproduktion“, erklärt Wolfgang Westermeier. Man arbeitet hier zum Beispiel daran, die Futterverwertung der Maden zu verbessern. „Vor allem die Futterverwertung ist essenziell für den Erfolg und die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. Innerhalb von drei Jahren ist es uns gelungen, die Futter-Effizienz bei der Linie, die Reststoffe aus der Müllerei verwertet, von Faktor 2,5 auf 1,2 zu verbessern.“ Darüber hinaus versucht Farminsect spezielle Linien für andere Reststoffe, wie Gemüsereste, Treber oder Grüngut zu züchten. „Wir können dann zukünftig jedem Kunden, die idealen, auf seinen Betrieb zugeschnittenen Larven zukommen lassen“, so Westermeier.

Eiweißqualität von Fischmehl

Als Tierfutter nutzen die Landwirte nutzen das vom Proteingehalt her optimale Stadium bei etwa 60 Prozent des möglichen Endgewichtes der Larven. Die Eiweißqualität entspricht dann in etwa derjenigen von Fischmehl. „Gegenüber Fischmehl kann der Landwirt etwa 30 Prozent an Kosten einsparen“, sagen die Gründer. 

Die Qualität von Soja erreicht Farminsect mit seinem Insektenprotein noch nicht ganz, doch die Kühn und Westermeier sind zuversichtlich, dies auch bald zu schaffen. „Sollte es einmal zu einer CO2-Besteuerung von Soja und Fischmehl kommen, dann werden wir mit unseren Maden zum Gamechanger“, sagt Thomas Kühn. Gegenüber dem Kauf von Fischmehl könne man mit der Produktion der Insektenlarven vor Ort etwa 50 Prozent an CO2 einsparen, gegenüber Soja seien es sogar bis zu 70 Prozent.

Auch um das Wohl der Insekten kümmern sich die Gründer von Farminsekt: „Wir überprüfen regelmäßig anhand von biologischen Kriterien, ob die Umweltbedingungen der Insekten und Larven passen oder noch verbessert werden können“, erklärt Westermeier. Beim Töten der Larven hat man sich deshalb für folgende Variante entschieden: Die Larven werden zunächst auf 5 Grad Celsius herabgekühlt. Weil sie Kaltblüter sind, verfallen sie in eine Art Kälteschlaf und werden dann im zweiten Schritt tiefgefroren und dadurch getötet. Sie können dann bei Bedarf zu Insektenmehl zum Beispiel für die Verarbeitung in Pellets oder zur Beimischung in Haustiernahrung verwendet werden. 

Da auch auf solchen Märkten die Nachfrage steigt, bietet Farminsect seinen Kunden jetzt auch an, die Larven nach der Mast wieder abzunehmen. „Wir wollen damit Landwirten, die keine eigenen Tiere mehr haben, aber gerne in die Insektenmast einsteigen möchten, eine Einkommensmöglichkeit anbieten“, erklärt Thomas Kühn. Der Landwirt muss sich dann nicht um die weitere Vermarktung kümmern, sondern Farminsect übernimmt dies gezielt und gebündelt.

Ariana Haubner / dlv
Bild: Ariana Haubner / dlv

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