Niedersachsen war in den vergangenen Jahren innerhalb Deutschlands am stärksten betroffen von der Geflügelpest. Die Tierseuchenbekämpfung hat hier sehr, sehr viel Geld gekostet. Für die Tierhalter ist es kaum mehr bezahlbar.
Bekämpfung Geflügelpest: Bisheriges System nicht mehr bezahlbar?
Niedersachsen ist das Bundesland in Deutschland mit dem meisten Geflügel. 2022 lag die Zahl der gehaltenen Tiere bei 107,5 Mio. Zuwächse gab es zuletzt vor allem noch bei den Legehennen.
Leider ist Niedersachsen auch am stärksten von der Geflügelpest (AI) betroffen. Allein seit 2015 traf es fast 200 Betriebe. Der bisherige Höhepunkt lag im Winter 2021/22. War die Geflügelpest bis dahin ein eher saisonales Geschehen, so gab es im vergangenen Sommer erstmals keine Pause.
Seit Jahresbeginn ist es bezüglich AI allerdings eher ruhig, es gab in Niedersachsen erst drei neue Fälle. Dr. Ursula Gerdes, Geschäftsführerin der Niedersächsischen Tierseuchenkasse (TSK), führt dies neben verbesserten Biosicherheitsmaßnahmen der Betriebe auf den vielen Regen zurück – die Nässe bindet das Virus auf dem Boden, es wird momentan nicht durch Wind verbreitet.
Alarmierende Zahlen zu den Kosten
Auf einer Tagung zum Thema Geflügelpest in Kalkriese bei Osnabrück stellte Dr. Gerdes die Zahlen ihres Hauses zu diesem Bereich vor. Und diese Zahlen können durchaus als alarmierend bezeichnet werden. So schlug die AI-Bekämpfung zwischen 2008 und 2022 mit 73 Mio. € bei der TSK zu Buche. Nur für Niedersachsen! Seit November 2020 bis heute waren es allein 43 Mio. €. Getötet werden mussten in diesem Zeitraum gut 2,5 Mio. Tiere.
Während in anderen EU-Ländern die Tierseuchenbekämpfung komplett vom Staat finanziert wird, gibt es in Deutschland ein System der Beteiligung der Tierhalterinnen und Tierhalter. In Niedersachsen finanziert die TSK die Bekämpfung zu einem Viertel über die Beiträge der Tierhalter. Den Rest teilen sich Land und EU sowie zu einem kleinen Teil die Landkreise. Die Höhe der Beiträge je Tier, die die Tierhalter zahlen müssen, richtet sich ganz konkret nach den Ausgaben, die bei den einzelnen Tiergattungen angefallen sind.
EU fehlt auch Geld für Tierseuchenbekämpfung
Für die niedersächsischen Geflügelhalter bedeuteten die vielen Geflügelpest-Ausbrüche also in den vergangenen Jahren ohnehin steigende Beiträge. Diese Beiträge mussten für 2023 noch mal massiv angehoben werden (Tabelle). Zur Verdeutlichung: Zahlte ein Mäster für 18.000 Putenhähne im Jahr 2019 gut 11.000 € an die TSK, so sind es aktuell fast 32.000 €. Zukünftig muss bei solchen Ausbruchsgeschehen mit weiteren Kostensteigerungen gerechnet werden, denn im vergangenen Herbst hat die EU angekündigt, dass sie ab 2023 ihre Kofinanzierung der Tierseuchenbekämpfung massiv zurückfährt – weil schlicht und einfach kein Geld mehr da ist (Grafik). „Für uns heißt das dann leider, dass wir bei weiteren Tierseuchenausbrüchen künftig die Beiträge für die Tierhalter nochmal deutlich anheben müssen,“ so Dr. Gerdes.
Beiträge Tierseuchenkasse Niedersachsen (€) zur Refinanzierung der Geflügelpest
Beiträge 2019 | Beiträge 2023 | |
Legehennen | 0,0302 | 0,056 |
Masthähnchen | 0,023 | 0,025 |
Putenhähne | 0,6257 | 1,7725 |
Putenhennen | 0,1972 | 0,2245 |
Putenküken | 0,0645 | 0,0474 |
Enten | 0,0765 | 0,2351 |
Gänse | 0,050 | 0,3814 |
Elterntiere | 0,139 | 0,2278 |
Quelle: Tierseuchenkasse Niedersachsen
Mängel in der Biosicherheit werden abgestraft
Existenzielle Grundlage einer wirksamen Tierseuchenbekämpfung ist eine bestmögliche Biosicherheit – auf jedem einzelnen Betrieb! In der Vergangenheit waren auf von AI betroffenen Betrieben des Öfteren Biosicherheitsmängel festgestellt worden. Die TSK hatte daraus Konsequenzen gezogen und Abschläge bei den AI-Entschädigungszahlungen eingeführt, wenn solche Mängel nachgewiesen wurden. Dazu gehörte zum Beispiel eine nicht vogelsichere Lagerung von Einstreu oder eine nicht ordnungsgemäße Kadaverlagerung. Angesichts der enorm gestiegenen Kosten der AI-Bekämpfung sollte auch ein Verursacherprinzip zur Anwendung kommen. Laut Dr. Gerdes ist Klagen von Betrieben, die diese Kürzungen nicht akzeptierten, bislang in keinem Fall stattgegeben worden. Im vergangenen Jahr hat es allerdings auch kaum noch Kürzungen gegeben, sprich, die Biosicherheit ist deutlich optimiert worden in den Betrieben.
Verursacherprinzip weiter ausbauen
Die TSK plant, bei auch künftig hohen AI-Kosten, mit dem Verursacherprinzip ggf. noch einen Schritt weiterzugehen. Dr. Gerdes stellte in Kalkriese das Modell einer regionalen Staffelung der TSK-Beiträge vor. Das Modell betrifft derzeit nur Putenhähne. Der Hintergrund: Fast 90 % der bisherigen AI-Fälle in Niedersachsen traten in Betrieben mit Putenhahnenmast auf. Da diese in Niedersachsen größtenteils in offenen Ställen erfolgt, ist das Eintragsrisiko naturgemäß größer. Hinzu kommt, dass es im nördlichen Landkreis Cloppenburg/angrenzenden Landkreis Oldenburg eine sehr hohe Dichte an Putenbetrieben gibt. Hier war – zumindest bis 2021 – das „Epizentrum“ der AI-Ausbrüche.
Seitdem die Geflügelpest in der Wildvogelpopulation endemisch ist, hat sich das zwar geändert. Die Fälle sind heute räumlich mehr verteilt. Nach wie vor ist die genannte Region aber weiter ein potenzieller „Hotspot“. Das neue Modell der TSK sieht vor, dass die Beiträge für Putenhähne in dieser Region am höchsten sind, drumherum gibt es eine Zone mit einem etwas niedrigeren Beitrag und für das restliche Niedersachsen gilt dann noch einmal ein stärker reduzierter Beitrag. Bislang kommt dieses Modell – wohlgemerkt - noch nicht zur Anwendung.
Dr. Gerdes betonte, dass es dann allerdings greifen soll, wenn es wieder ein massives AI-Geschehen in dieser Region geben sollte.
Für die ohnehin schwierige wirtschaftliche Situation der Geflügelmäster könnten die hohen TSK-Beiträge in Niedersachsen zum ernsthaften Problem werden, vor allem, wenn sie ihren Standort in der putendichten Region haben. Das bedauerte die Geschäftsführerin der TSK. Ihrer Meinung nach geht jedoch kein Weg daran vorbei, das seuchenhygienische Risiko bei der Beitragskalkulation zu berücksichtigen.
Andere Instrumente für Tierseuchenbekämpfung
Angesichts der enormen Kosten und Ressourcenvernichtung durch die Geflügelpest
- 2,6 Mio. Tötungen in Niedersachsen
- =11 Mio. kg vernichtete Lebensmittel
- 3,3 Mio. t CO2-Verbrauch durch Tötungen
appellierte sie eindringlich, weitere Instrumente für die Tierseuchenbekämpfung zu finden. So sei die Politik gefordert, Umnutzungen von Putenställen zu erleichtern. Die TSK fördert zum Bespiel ein Forschungsprojekt der TiHo Hannover, bei dem eine Zuluftfilterung für Putenställe entwickelt werden soll.
Die Impfung ist aus Sicht der TSK Niedersachsen ein wichtiges Instrument der AI-Bekämpfung, das insbesondere in Betrieben mit Elterntieren, besonderen Rassen oder anderer besonderer Relevanz in Erwägung gezogen werden sollte. Laut Dr. Gerdes müsse hier eine fundierte Kosten-Nutzen-Analyse erstellt werden. Neben den rechtlichen Vorgaben für die Impfung sollten auch die Möglichkeiten und Grenzen der Impfstoffe einbezogen werden.
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