Der erste Fall von Afrikanischer Schweinepest in Niedersachsen hat erhebliche Schäden verursacht – auch auf unbeteiligten Betrieben. Und die Geflügelpest ist im Jahr 2022 zum Dauerthema geworden. Für beide Seuchen ist eine Ertragsschadensversicherung dringend geboten, ältere Verträge sollten überprüft werden.
Seuchenvorsorge „Bestehende Versicherungen checken“
Sandra Wiemann und Andreas Stärk konnten sich im Sommer 2022 kaum vor Anfragen retten: Nach Bekanntwerden des ersten Falls von Afrikanischer Schweinepest (ASP) in Niedersachsen Anfang Juli wollten sich sehr viele Betriebe noch versichern: „Wir schätzen, dass zu diesem Zeitpunkt 80 bis 90 % der Sauenhalterinnen und Sauenhalter eine Ertragsschadensversicherung haben, bei den Mästerinnen und Mästern dürfte die Quote bei gut 50 bis 60 % gelegen haben“, berichtet Stärk. Er ist Geschäftsführer der in Cloppenburg ansässigen ISW-Versicherungsmakler GmbH. Seine Mitarbeiterin Sandra Wiemann betreut den Bereich Ertragsschadenversicherungen.
Zeichnungsstopp in ganz Deutschland bei den großen Versicherern
So gerne die Makler natürlich neue Policen vermitteln würden, ist dies aktuell leider nur eingeschränkt möglich. Von den beiden großen, in diesem Sektor tätigen Versicherungsgesellschaften gibt es bei einer, der Allianz Agrar, derzeit einen Zeichnungsstopp bezüglich ASP für ganz Deutschland. Nur bei der Vereinigten Tierversicherung (VTV)/R + V kann derzeit eine Ertragsschadensversicherung mit einer Basisdeckung „Seuchen“ abgeschlossen werden.
Bei wenigen anderen, kleineren Versicherungsanbietern gebe es in Einzelfällen eine Chance zum Abschluss einer Police, so Wiemann, ebenso in Einzelfällen für Betriebe, die bereits andere Versicherungen bei der Allianz haben. Aber dies seien Ausnahmen: „Es ist schon gut, wenn es mehrere Anbieter für eine Ertragsschadensversicherung gibt, nach unserem Kenntnisstand wird die Allianz Agrar kurzfristig die Versicherung wieder öffnen,“ sagt sie.
ASP-Fall kostete Versicherungen 4 Mio. Euro
Den größten Schaden gab es infolge des ersten ASP-Falles in Niedersachsen durch die fehlenden Vermarktungsmöglichkeiten der schlachtreifen Mastschweine im Restriktionsgebiet. Trotz vieler Beteuerungen/Beruhigungen zu „Friedenszeiten“ fanden sich nur sehr begrenzt Abnehmer für die Tiere. In Folge entstand bis zum Ende der Restriktionen Anfang Oktober ein Stau überschwerer Schlachtschweine. Rund 18.000 schlachtreife Mastschweine aus den Restriktionsgebieten gingen ohne Erlös zum Schlachthof. „Die Versicherungen akzeptierten diese Vorgehensweise,“ so Stärk. Neben den entgangenen Erlösen mussten sie auch die zusätzlichen Kosten der Betriebe für Futter, Energie, Tierarzt oder Leerstand ausgleichen. Stärk schätzt, dass der eine ASP-Fall im Emsland die Versicherungen um die 4 Mio. € gekostet hat.
Die enormen Vermarktungsprobleme in Folge des ASP-Falles sorgten dafür, dass anschließend die Nachfrage nach einer Ertragsschadensversicherung bei nicht versicherten Mästern groß war. „Die Einschätzung, dass der Schaden infolge eines ASP-Falles für einen Mastbetrieb nicht so groß sein kann, hat sich als Trugschluss erwiesen,“ gibt Andreas Stärk zu bedenken.
Ältere Verträge unbedingt überprüfen
Sandra Wiemann weist darauf hin, dass Landwirte mit älteren Verträgen diese unbedingt checken sollten. „Wir haben schon einige Fälle gesehen, wo es eine Unterversicherung gab, im Schadensfall führt das natürlich dazu, dass eben nicht alle Erlösausfälle ausgeglichen werden,“ berichtet sie.
Grundlage einer Ertragsschadensversicherung ist der Produktionsumfang im versicherten Betriebszweig. Leistungssteigerungen wie mehr Ferkel/Sau/Jahr oder bessere Tageszunahmen erhöhen den Umsatz. Es werden mehr Tiere pro Jahr verkauft. In neueren Verträgen fließen zudem Produktpreise in die Versicherungssummenbildung ein. „Wir sprechen unsere Kunden mit älteren Verträgen aktiv hierauf an,“ berichtet sie. Sonst könnte es ein böses Erwachen im Schadensfall geben. Auch zum Beispiel der Wechsel auf einen anderen Pachtstall bzw. die Zupacht von Ställen oder Ähnliches sollte gemeldet werden. Die Risikoeinschätzung kann je nach Standort eines Stalles unterschiedlich sein.
Eine Abwägungssache bleibt der Selbstbehalt des Versicherungsnehmers. Möglich ist eine große Bandbreite, die Beitragshöhe kann sich um bis zu 60 % -Punkte unterscheiden.
Geflügelpest: Die Versicherungen stellen sich neu auf
Die ISW-Versicherungsmakler zählen heute auch viele Geflügelbetriebe zu ihren Kunden. Das Problem Geflügelpest (AI=Aviäre Influenza) ist hier ein Dauerthema geworden und hat in den vergangenen Jahren auch bei den Versicherungen erhebliche Kosten verursacht. In diesem Jahr gab es erstmals keine „Sommerpause“ , das Geschehen ist nicht mehr saisonal, sondern ganzjährig.
Höhere Grundbeiträge bei Geflügelverträgen
Die VTV/R+V als ein großer Versicherer in diesem Bereich hat die Reißleine gezogen und saniert die Geflügelverträge: Nach einem Schaden oder zur nächsten Hauptfälligkeit der Versicherungsverträge werden Änderungskündigungen ausgesprochen. Zum einen werden in den Neuverträgen die Grundbeiträge um bis zu 50 % erhöht, zum anderen gibt es dabei jetzt eine risikoorientierte Staffelung je nach Bundesland. In Niedersachsen werden die Beiträge um einen Faktor von bis zu 2,5 erhöht gegenüber dem übrigen Deutschland.
Neben den Änderungen beim Grundbeitrag gibt es auch Änderungen bei den Leistungen: In der Legehennenhaltung wird die Wertminderung bei Eiern, die infolge eines Aufstallgebots nicht mehr als Freilandeier vermarktet werden können, auf 3 Cent pro Ei begrenzt. In der Hähnchenmast gibt es eine Wertminderungsbegrenzung, die allerdings nicht mit der Geflügelpest in Verbindung steht, sondern mit Salmonellen-Infektionen: Die Versicherung zahlt nur noch Abzüge vom marktüblichen Preis von bis zu 50 %. Hähnchenfleisch aus Betrieben, in denen Salmonella Enteritidis / Typhimurium nachgewiesen wurden, unterliegen speziellen Vermarktungsregeln und bedeuten zum Teil erhebliche Erlösminderungen.
Einhaltung der Biosicherheitsregeln wird überprüft
Vergleicht man die ASP und die Geflügelpest miteinander, gibt es bei der Geflügelpest – zumindest bislang – deutlich mehr Betriebe, die direkt betroffen sind. Bei diesen Betrieben wird die Tierseuchenkasse, bevor sie Entschädigungen zahlt, die Einhaltung der Biosicherheitsregeln überprüfen. Werden Mängel festgestellt, kann die Tierseuchenkasse die Entschädigungszahlungen deutlich kürzen. „Wenn die Tierseuchenkasse Kürzungen vornimmt, muss damit gerechnet werden, dass die Ertragsschadensversicherung dies ebenfalls macht,“ sagt Andreas Stärk. Denn auch bei der Versicherung wird die Einhaltung der einschlägigen Biosicherheitstandards erwartet. Fahrlässigkeit würde somit gleich doppelt bestraft. Allerdings sind ihm derzeit keine Fälle bekannt, in denen es zu Kürzungen bei Ertragsschadenversicherungen wegen Mängel bei der Biosicherheit gekommen ist.
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