Angesichts der grassierenden Klassischen Geflügelpest wurde darüber diskutiert, inwiefern ein Umrüsten offener Putenställe zu Hähnchenställen möglich und sinnvoll ist. Das Land Niedersachsen wollte dies sogar erleichtern. Doch Fakt ist: Ein „Umswitchen“ muss sehr genau überlegt werden.
Geflügelmast: Umswitchen ist kein leichtes Geschäft
Für Christoph Hartlage ist es keine Frage, dass er in der aktuellen Situation Berufskollegen/-innen kaum empfehlen kann, einen Umstieg von der Putenmast auf die Hähnchenmast in höheren Haltungsstufen ins Auge zu fassen. Das sagt er ganz bewusst, obwohl er selbst diesen Schritt erst vor kurzem gegangen ist: „Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, dass sich Märkte sehr schnell ändern können. Den Umstieg in ein Tierwohlprogramm sollte man als Betrieb nur angehen, wenn es einen mehrjährigen Liefervertrag mit einem Abnehmer gibt“, so seine Einschätzung.
Längerfristig geht er jedoch davon aus, dass Fleisch von Tieren aus höheren Haltungsstufen seinen festen Platz in den Supermarkt-Regalen haben wird. Hartlage ist hauptberuflich in der Verkaufsleitung eines großen Futtermittelherstellers der Region tätig. Im elterlichen Betrieb, der in erster Linie von seinem Vater bewirtschaftet wird, war die Putenmast lange Zeit Hauptbetriebszweig neben dem Ackerbau mit Kartoffelanbau. Gemästet wurden an zwei Standorten im Landkreis Oldenburg 20.000 Putenhähne.
Betrieb wollte sich breiter aufstellen
Angesichts der Bedrohung durch die Geflügelpest, aber auch wegen wiederkehrender Probleme mit der Schwarzkopf-Krankheit am Hof und der zu erwartenden neuen Anforderungen durch die TA Luft (Nachrüstung Luftwäscher), überlegten Christoph Hartlage und sein Vater einen Umstieg auf die Hähnchenmast mit mindestens Haltungsstufe 3: „Ein Gesichtspunkt dabei war auch, dass wir uns aus Gründen der Risikominimierung gern breiter aufstellen wollten“, berichtet der 27-Jährige.
Bei der Putenmast am Hof handelt es sich um zwei kleinere, geschlossene Ställe und einen Louisiana-Stall, also einen Offenstall: „Deshalb richtete sich unser Interesse auf die Hähnchenmast in höheren Haltungsstufen mit Außenklima-Reiz oder Auslauf“, so Hartlage. Ein Vermarkter mit passendem Tierwohl-Programm wurde gefunden und so nahmen Hartlages das „Umswitchen“ in Angriff. Eine große Hürde war die Umgenehmigung für eine andere Tierart, in diesem Fall auf Hähnchen: „Umswitchen hört sich einfach an, ist aber eine aufwändige und einzelbetrieblich sehr gut zu überlegende Sache“, gibt Christoph Hartlage zu bedenken.
Umgenehmigung heißt quasi Neugenehmigung
Denn bei einer Änderung der Tierart ist ein neues Genehmigungsverfahren zu durchlaufen, gegebnenfalls entfällt der bestehende Bestandsschutz: „Unsere Putenställe am Hof und die Baugenehmigung hierfür sind fast 30 Jahre alt. Inzwischen gelten neue Vorschriften, es können im Umfeld Wohnbebauung, Wald oder sonst Schützenswertes entstanden sein. Bei einer Umgenehmigung sind diese Dinge zu berücksichtigen. Im Landkreis Oldenburg sind, wie zum Teil in anderen Landkreisen auch, bei Bau- bzw. Umgenehmigungen zudem die Emissionen grundsätzlich um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren.
Zielgröße für den Betrieb Hartlage waren weniger als 40.000 Masthähnchenplätze, weil dies die Grenze zur „großen“ Genehmigung nach Bundesimissionschutzgesetz ist. Da das Tierwohlprogramm, in das Hartlages liefern, deutlich geringere Besatzdichten vorsieht als gesetzlich möglich, passte es größenmäßig gut zur vorhandenen Stallfläche. Dennoch musste noch einer der beiden kleinen Ställe am Hof, der für die Putenaufzucht genehmigt war und bis vor wenigen Jahren auch dafür genutzt wurde, stillgelegt werden. „Nur so konnten wir auf die zulässigen Emissionen runterkommen“, erzählt Hartlage. Ein Emissionsgutachten wurde dazu erstellt.
Umgenehmigung mit einigen Auflagen erteilt
Bis vor einigen Jahren konnten auch nichtlandwirtschaftliche, gewerbliche Tierhaltungs-Anlagen ohne eigene Futterflächen im Außenbereich genehmigt bzw. gebaut werden. Das wurde im Mastgeflügelbereich in Niedersachsen häufig so gehandhabt. Diese baurechtliche Privilegierung (für Anlagen ab 30.000 Masthähnchen- oder 15.000 Mastputenplätzen) gibt es heute aber nicht mehr. Bei einer Umgenehmigung würden diese Betriebe heute 50 Prozent der benötigten Futterflächen nachweisen müssen (eigene Flächen oder langjährige Pacht). Das ist für viele Betriebe ein K.o.-Kriterium. Interessant kann für diese Betriebe dann bei einer Umgenehmigung eine Reduzierung der Plätze sein.
Bei Hartlages wurde die Umgenehmigung mit einigen Auflagen zum Brandschutz und zur Fensterfläche genehmigt. Heute werden der Louisiana-Stall mit 1.600 Quadratmeter für die Mast genutzt und einer der beiden kleinen geschlossenen Ställe mit 1.000 Quadratmeter für die Aufzucht der Küken. In dem kleinen Stall musste beispielweise ein Lichtband nachgerüstet werden, um die heute vorgeschriebenen 3 Prozent Fensterfläche zu erreichen.
Im Aufzuchtstall bleiben die Küken bis zum 20. Lebenstag. Hier sind höhere Temperaturen nötig, eingestallt wird bei 34 °C. Erst danach geht es in den offenen Stall. „Wären die Küken von Anfang an im Louisiana-Stall, hätten wir im Winter deutlich höhere Energiekosten. So wird der geschlossene Stall optimal genutzt“, sagt Hartlage. Dass er sich ohnehin aktuell nicht so viele Gedanken über seine Energiekosten macht wie sicher manch andere Berufskollege, liegt an der Wärmequelle: Hartlages heizen Ställe und Wohnhaus bereits seit zehn Jahren mit Hackschnitzeln (überwiegend aus dem eigenen Wald) und Miscanthus.
Letzteres haben sie auf 3 ha angebaut. Im Frühjahr wird mit dem Maishäcksler geerntet. Beheizt werden die Ställe über Konvektoren. Falls es im Winter einmal sehr hohe Minustemperaturen geben sollte, wäre eine zusätzliche Beheizung mit Gaskanonen möglich.
Im Louisiana-Stall haben Hartlages in Eigenleistung einen innenliegenden Wintergarten in 3 m Breite eingebaut: „Das ist Vorgabe unseres Tierwohlprogrammes“, so Christoph Hartlage. Die Investitionskosten waren deutlich geringer, als wenn ein außenliegender Wintergarten angebaut worden wäre. Die eingezogene Trennwand im Stall hat einen Betonsockel als Anfahrschutz und darüber sind zwei Reihen Betonsteine gemauert – mit Aussparungen für die Luken. Darüber befinden sich Sandwichplatten, die mit Metallschienen oben und unten befestigt sind. Aktuell ist der erste Durchgang Hähnchen im Stall, gemästet wird eine langsam wachsende Rasse, die Tageszunahmen dürfen im Schnitt nicht über 51 g liegen. Die Mastdauer bis zum Endgewicht von ca. 2,2 kg beträgt rund sechs Wochen.
Benachteiligt durch deutsches Genehmigungsrecht
Hartlage weiß von Außendienstkollegen, dass sich auch andere Putenmäster mit dem Thema Umstieg auf Hähnchenmast befasst haben – vor allem in den stärker von der Geflügelpest betroffenen Regionen. Bewusst sein müsse man sich unbedingt, so Hartlage, dass es nach einem Wechsel hierzulande kaum ein Zurück gibt: „Leider ist unser Genehmigungsrecht diesbezüglich anders als in anderen EU-Staaten. Dort gibt es teilweise eine Genehmigung allgemein für die Mast von Geflügel. Der Mäster hat dann die Möglichkeit, je nach Marktanforderungen unproblematisch auf Hähnchen oder zum Beispiel Enten umzusteigen. Bei uns ist eine Umgenehmigung schon sehr aufwändig und wenn jedes Mal auch noch Emissionen reduziert werden müssen und der Bestandsschutz außer Kraft gesetzt wird, wird es sehr schwierig. Das ist leider nicht im Sinne einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Erhaltes heimischer Betriebe zu sehen“, so sein Resümee.
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